Pole und zweiter Saisonsieg in Silverstone
Kirchhöfer entscheidet britischen Krimi für sich

Die besten Kriminal-Romane werden bekanntlich in Großbritannien geschrieben und Darsteller eines der neusten und modernen Krimis wurde am vergangenen Wochenende im Rahmen der Formel 1 zum Großen Preis von Großbritannien, kein geringerer als Deutschlands Nachwuchshoffnung in der GP3-Series, Marvin Kirchhöfer aus Leipzig.

Das spannende Schauspielstück des vergangenen Wochenendes begann bereits am Donnerstag, einige Kilometer vor der Küstenstadt Calais in Frankreich. Der Fährhafen war wegen eines Streiks der Seeleute geschlossen worden und diese blockierten hinzu noch den Eurotunnel, so dass eine Überfahrt für viele Rennteams zunächst unmöglich schien. Das ART-Team von Marvin Kirchhöfer erreichte das Fahrerlager allerdings wie alle anderen Teams des offiziellen Formel1 Rahmenprogramms rechtzeitig und konnte die Fahrzeuge nach kurzem durchatmen der technischen Abnahme vorstellen. 

Das freie Training am Freitagnachmittag begann für Kirchhöfer ganz nach Plan, bis plötzlich in der zweiten Hälfte wieder der Italiener Luca Ghiotto auf den Zeitenmonitoren auftauchte. Kirchhöfer fuhr bis dahin die schnellste Rundenzeit, doch der Meisterschaftsführende vom Trident Team brannte eine Zeit in den Asphalt des ehem. Flugplatzes der Royal Air Force, die alle zum staunen brachte. Ganze 0,7 Sekunden schneller als Lokalmatador Emil Bernstorff. Marvin Kirchhöfer fuhr mit 20 Runden die fünftschnellste Zeit und lies somit seinen Teamkollegen und Formel 3-Europameister Esteban Ocon hinter sich.

Nachdem der Meisterschaftsführende L. Ghiotto am Freitagnachmittag eine so dominierende Zeit vorgab, waren sich viele nahezu einig… er wird auch hier am Samstagfrüh seine dritte Pole in der Saison 2015 holen. Doch weitgefehlt, denn Marvin Kirchhöfer aus Leipzig zeigte in der 30-minütigen Qualifying Session sein cleveres strategisches Können und fuhr kurz vor Ende der Qualifikationssitzung die schnellste Zeit und sicherte sich somit für das Rennen am späten Nachmittag die Pole vor seinem ehemaligen F3 Teamkollegen Emil Bernstorff, der hier sein Heimrennen bestreitet. Und das trotz Magenproblemen des Leipzigers, dem wohl das britische Essen nicht zu Gute kam. Luca Ghiotto und Esteban Ocon hingegen erreichten nur die Startplätze 6 und 8. 

Am Samstagnachmittag startete Kirchhöfer unter sommerlichen Wetterbedingungen sehr gut und setze sich gemeinsam mit dem Briten Emil Berstorff auf dem 5,9km langen Kurs schnell vom Feld ab. Zunächst passierte nicht viel und Kirchhöfer konnte in den ersten 14 Runden einen Vorsprung von knapp zwei Sekunden herausfahren. Es war sehr spannend, denn es war nur eine Frage der Zeit wann die neuen Pirellipneus abbauen würden. Da der Kurs in Silverstone für eine hohe Reifenbelastung bekannt ist, stellte Pirelli hier die härteste Mischung zur Verfügung und alle Fahrer entschieden sich für das erste und längere Rennen am Samstag für einen nicht angefahrenen neuen Satz. Ab Runde 15 kam dann Spannung auf, als Kirchhöfer nicht mehr die Zeiten der ersten Runden fahren konnte und Bernstorff wieder bedrohlich herankam. In den letzten beiden Runden dann Kampflinie des Leipzigers, dessen Kopf nur noch nach links und rechts zum Rückspiegel gerichtet war. Um ein Haar war Bernstoff an Kirchhöfer vorbeigezogen, doch Kirchhöfer behielt Nerven und stahl wie ein Robin Hood im britischen Königreich, den Lokalmatadoren Bernstorff und Parry den Sieg. Es war ein spannender Reifenkrimi, bei dem sich Kirchhöfer mit seinem zweiten Saisonsieg verdient belohnte.

Am Sonntagmorgen musste Kirchhöfer dann aus Reihe vier nach dem Reverse Grid* von Platz acht aus ins Rennen starten. Ein nicht ganz einfacher Platz, da man sich am Start zwischen den etwas langsameren Kontrahenten der GP3 Series befindet. Kirchhöfer der mit seinem angefahrenen Reifensatz aus dem Quaifying gut ins Rennen startete, machte kurzzeitig ein paar Plätze gut, musste diese aber dann wieder abgeben. Der Deutsche wollte nicht schon zu Beginn des Rennens fighten, da er seine Reifen für die Schlussphase schonen wollte. An der Spitze wurde der junge Schweizer Ralph Boschung, der von Pole gestartet war, schnell von Ceccon und Ocon kassiert und diese setzten sich vom Feld im Laufe des Rennens ab. Im Rennverlauf passierte unter den ersten 10 nicht mehr viel, da alle auf die Haltbarkeit ihrer Reifen achteten. Ceccon, Ocon und Boschung teilten sich nach 15 Runden im zweiten Rennen am Sonntag das Podium, während der Meisterschaftsführende Ghiotto nicht gut startete und nicht über Platz 7 hinaus kam. Kirchhöfer riskierte im zweiten Rennen nichts und verwaltete das Rennen gefahrlos und kam als Achter ins Ziel, was ihm noch einen Punkt für die Meisterschaft brachte.

„Ich bin ganz zufrieden mit dem Wochenende. Die Pole und mein zweiter Saisonsieg und das im ersten, dem wichtigeren Rennen, waren wichtig. Allerdings war das Wochenende auch nicht ganz einfach für mich, da ich mich nicht fit gefühlt habe und die Balance einfach noch nicht stimmt. Deshalb habe ich im zweiten Rennen das Ergebnis nur noch verwalten können.“  so Kirchhöfer über sein Wochenende in Silverstone.

Marvin Kirchhöfer verkürzt den Abstand auf 5 Punkte im Gesamtklassement zu Luca Ghiotto aus Italien und macht Boden gut auf Teamkollegen Esteban Ocon, der mit 13 Punkten hinter dem Leipziger auf Platz 3, seinen Platz verteidigen konnte. 

Da der Große Preis von Deutschland gestrichen wurde, geht es erst in drei Wochen, vom 24.-26. Juli gleich mit dem Großen Preis von Ungarn weiter. Eine Strecke mit wenigen Überholmöglichkeiten und einer neuen Chance für Kirchhöfer. 

* (die ersten 8 Positionen des ersten Rennens werden getauscht, so dass der Sieger aus Rennen eins, von Platz 8 und der 8. als Polesetter ins zweite Rennen startet)

GP3 Series Gesamtklassement

1. Ghiotto – 82 Punkte
2. Kirchhöfer – 77 Punkte
3. Ocon – 64 Punkte
4. E.Bernstorff – 63 Punkte

A.Dannenberg / Motorsport-Karriere.de